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Warum der Umstieg auf Erneuerbare nicht genug ist
Artikel "Warum der Umstieg auf Erneuerbare nicht genug ist" aus der UniNEtZ-Artikelserie in "Die Presse" vom 26. 11. 2021
Wenn das bei der COP26 beschlossene 1,5-Grad-Ziel halten soll, braucht es einen raschen Umbau des Energiesystems.
Was muss geschehen, um das Klimaziel zu erreichen?
Wir müssen weg von fossilen und hin zu erneuerbaren Energieträgern. Konsequenterweise hatte der Entwurf zum Abschlussdokument von Glasgow auch den Ausstieg aus Kohle vorgesehen; auch wenn Indien und China eine Abschwächung erzwangen, ändert dies nichts an den Notwendigkeiten und kann die Entwicklung höchstens verzögern, nicht aufhalten. Phase-out von Öl und Gas werden folgen. Im Gesamtkontext betrachtet genügt allerdings der Wechsel der Energieträger nicht, es müssen zusätzliche Kriterien sowie soziale Aspekte beachtet werden. Zwei dieser Kriterien sind besonders wichtig: Effizienz und Suffizienz. Lang in nationalen Strategien übersehen und auch in Österreich mittels eines mehr als nur indirekten und letztlich auch ineffizienten Energieeffizienzgesetzes geregelt, kommt Effizienzsteigerungen in der gesellschaftlichen Transformation doch eine zentrale Rolle zu. Ohne Effizienzsteigerungen – und hier sind sich die für Österreich erstellten Studien zur Energie-Entwicklung bis 2030 bzw. 2050 einig – werden erneuerbare Energien weder schnell genug noch in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Ein Drittel bis zur Hälfte des derzeitigen Energieverbrauchs kann durch Effizienzmaßnahmen eingespart werden, so der Befund. Effizienz kann auf verschiedenen Ebenen gesteigert werden und sowohl Ressourceneinsparungen ermöglichen als auch dazu beitragen, das Klima zu schützen: Prozessoptimierungen in der Industrie sind wichtig und meist auch ökonomisch attraktiv, aber der verbleibende Spielraum ist vergleichsweise gering und kann nur durch technologische Innovationen wesentlich erweitert werden. Weil Energieeffizienzgewinne oft mit Materialinvestitionen einhergehen, muss stets der gesamte Lebenszyklus der Produkte betrachtet werden, denn nur dann lässt sich feststellen, wie viel Ressourcen wirklich eingespart werden. Lukrative Möglichkeiten ergeben sich allerdings durch Sektorkopplung, und erfreulicherweise haben sich in Österreich einige potente Partnerschaften gebildet, die international Potenzial haben. Diesbezüglich nennenswert sind cross-sektorale Initiativen, die industrielle Klima- und Kreislaufwirtschaftsstrategien integral verknüpfen, wie z. B. „Carbon2Products Austria – C2PAT“ von Lafarge, OMV, Borealis und Verbund oder „Hydrogen & Carbon Management Austria – HCMA“ von Voestalpine, Verbund, Borealis, RAG. Unter Nutzung erneuerbarer Energie zielen beide Initiativen auf die Etablierung industriell-zirkulärer Kohlenstoffströme („CO2 capture & utilization“) und die Herstellung und Nutzung von speicherbaren grünen Gasen (grüner Wasserstoff, grünes Methan) oder Flüssigkeiten (grünes Methanol) ab. Entsprechende Unterstützung durch Bund und Länder wird nötig sein, denn Innovation setzt Anfangsinvestitionen voraus, die in dem leider immer noch unsicheren Energieumfeld Österreichs die Risikobereitschaft und Leistungsfähigkeit der beteiligten Firmen übersteigen. Auf individueller Ebene kann Energieeffizenz durch die Bereitstellung hocheffizienter Energiedienstleistungen erreicht werden. Allerdings fallen in dem auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystem die realen Einsparungen wegen sogenannter Rebound-Effekte oft wesentlich geringer aus als errechnet. Beispielsweise haben die beachtlichen Effizienzsteigerungen bei Motoren zum Kauf größerer und schwererer Fahrzeuge geführt (der Anteil der SUVs nimmt in Österreich auch in Städten stetig zu) und zu mehr gefahrenen Kilometern. Somit sind durch den Rebound-Effekt keine Einsparungen vorhanden beziehungsweise sind sie weit geringer als ursprünglich angenommen.
Bloß keine Heizschwammerln!
Der Fokus auf Effizienz sollte nicht verhindern, dass energieärmere Lösungen berücksichtigt werden: Eine noch so effiziente elektrische Wäschetrocknung kann mit der Wäscheleine hinsichtlich Umweltfreundlichkeit nicht mithalten. Während es unbestritten ist, dass Wäsche getrocknet werden muss, gibt es viele Anwendungen, deren Notwendigkeit bezweifelt werden kann – etwa Heizschwammerln für Terrassen. Daher ist es sinnvoll, nicht nur danach zu fragen, wie die benötigte Energie am effizientesten zur Verfügung gestellt werden kann, sondern auch zu hinterfragen, wie viel Energie wofür tatsächlich benötigt wird. Weil aber jedes Energiesystem auf eine stoffliche Basis angewiesen ist und diese auf dieser Erde begrenzt ist (siehe Artikel 3 dieser Serie, 12. 11. 2021), muss neben der Effizienz auch das Prinzip der Suffizienz beachtet werden. Auch Technologien, die zur Nutzung erneuerbarer Energien (z. B. Wind und Sonne) benötigt werden, sind auf stoffliche, nicht erneuerbare Ressourcen wie Metalle, seltene Erden oder Fläche angewiesen. Und manche erneuerbaren Energien beruhen auf sich regenerierenden Ressourcen, wie z. B. Biomasse und Hochtemperatur-Geothermie und dürfen daher nicht in kürzerer Zeit aufgebraucht werden, als sie zur Regeneration benötigen, soll eine nachhaltige Nutzung gewährleistet werden. Daher sind auch erneuerbare Energien mit Bedacht einzusetzen – der Slogan „Die Sonne schickt keine Rechnung“ etwa verleitet zu Fehlverhalten. In Österreich liegt der durchschnittliche Pro-Kopf-Primärenergieverbrauch deutlich über dem Suffizienzniveau. Nichtsdestotrotz können sich auch in Österreich viele armutsbetroffene Menschen selbst die Grundversorgung mit Energie (vor allem Raumwärme) nicht leisten. Faktoren wie soziale Herkunft, Ethnizität und Gender spielen eine wichtige Rolle. Spricht man von einem nachhaltigen Energiesystem, dürfen dementsprechend zusätzlich zu den zahlreichen ökologischen, ökonomischen und technischen Kriterien soziale Kriterien nicht außer Acht gelassen werden. Zum einen, weil sie die Treiber des Energiesystems sind, und zum anderen, weil sie zentrale Elemente einer nachhaltigen Entwicklung sind. Ein nachhaltiges Energiesystem muss im Sinne von „Leave No One Behind“ soziale Ungleichheiten ausgleichen. Ein Beispiel wären Ausgleichszahlungen im Zuge der ökosozialen Steuerreform. Allerdings gilt es hier zu beachten, dass der Ausgleich nur so lang stattfindet, solang es fossile Energieträger gibt und dadurch Ungleichheiten nicht langfristig ausgeglichen werden. Es zeigt, dass zusätzlich zur ganzheitlichen Betrachtung ebenso die langfristige Perspektive wichtig ist, um zu beurteilen, wie nachhaltig das Energiesystem auch in der Zukunft ist.