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Wir müssen uns mehr um unseren Planeten kümmern
Artikel "Wir müssen jetzt beginnen, unser Leben zu ändern" aus der UniNEtZ-Artikelserie in "Die Presse" vom 12. 11. 2021
Wir übernutzen unsere Erde und ihre Ressourcen. Ein Aufruf zum nachhaltigen Umgang mit den globalen Umwelt-Commons.
Österreich lebt derzeit auf „zu großem Fuß“. Warum?
Wenn alle Menschen so leben würden wie wir in Österreich, brauchten wir 3,8 Planeten wie die Erde. Dieser Wert beruht auf dem Verhältnis des sogenannten ökologischen Fußabdrucks und der verfügbaren, für uns Menschen nutzbaren Fläche. Als ökologischer Fußabdruck wird die Fläche bezeichnet, die für unseren Ressourcenverbrauch durch Konsum inklusive des Abbaus der Abfälle und z. B. der Regeneration von Wäldern benötigt wird. Damit beschreibt der ökologische Fußabdruck indirekt auch den Anteil an globalen Umwelt-Commons, die wir verbrauchen. Das sind Systeme und Ressourcen die grenzüberschreitend zusammenhängen, wie das Klimasystem, der Wasserkreislauf, Biodiversität oder Boden. Wir alle teilen diese miteinander, unabhängig von politischen Grenzen. Allerdings gibt es Grenzen, die dafür von Bedeutung sind: planetare Grenzen. Ihre Definition beruht auf dem Konzept einer internationalen Forschergruppe um den schwedischen Wissenschaftler Johan Rockström. Darin werden Grenzen für Prozesse und Ressourcen definiert, die auf unserem Planeten limitiert und von zentraler Bedeutung für unser Leben sind. Werden diese Grenzen überschritten, können verschiedene Leistungen unserer Erde, sogenannte Ökosystemleistungen, nicht mehr vollständig erbracht werden. Dazu gehören zum Beispiel die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und gesunden Lebensmitteln, die Regulierung des Klimas oder die Bestäubung von Nutzpflanzen und die Schädlingskontrolle durch Insekten. Der geschätzte Schaden für den Entfall solcher Leistungen wäre immens. So würden rund 300 Millionen Euro pro Jahr für die Bestäubungsleistung und 330 Millionen Euro pro Jahr für Schädlingskontrolle anfallen. Und das allein für Österreich. Diese Schäden werden durch massive Rückgänge von Organismen und Arten verursacht.
Auch wenn Österreich zu den artenreichsten Staaten in Europa zählt, sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: In den vergangenen 30 Jahren gingen die Wirbeltierpopulationen um 40 Prozent zurück. Für rund 50 Prozent der Säugetiere und Brutvögel besteht eine unmittelbare Gefährdung. Fast 100 Prozent der Kriechtiere und ein Großteil der Insektenpopulation sind ebenfalls bedroht. Jeden Tag werden in Österreich rund zwölf Hektar Boden durch Versiegelung und Erosion in Anspruch genommen. Das sind rund 44 km pro Jahr, was in etwa der gesamten Fläche von Eisenstadt entspricht. Auch global sind bereits viele planetare Grenzen überschritten bzw. stehen kurz davor. Dazu tragen auch wir in Österreich bei - das spiegelt sich in unserem ökologischen Fußabdruck wider. Für die Versorgung der österreichischen Viehhaltung werden mindestens 51.000 ha Sojabohnenanbaufläche in Brasilien benötigt. Der dort vorhandene Artenreichtum wird dadurch weiter zerstört. Trotz seines viel gepriesenen Wasserreichtums hat Österreich auch einen beträchtlichen Wasserfußabdruck im Ausland. Laut einer Studie aus dem Jahr 2012 entfallen sogar zwei Drittel des österreichischen Ausland. Neben direkt konsumiertem Wasser beinhaltet dieser auch Wasser, das bei der Produktion von Konsumgütern anfällt, die in Österreich verbraucht werden.
Wie können wir sicherstellen, dass diese planetaren Grenzen nicht überschritten werden? Wie kann es gelingen, dass unser Tun und Handeln in Einklang mit den ökologischen Funktionen der Erde gebracht werden? Einen weltweiten Rahmen dafür bilden die nachhaltigen Entwicklungsziele der UNAgenda. Wie bereits im ersten Artikel dieser Reihe beschrieben, stellen sie 17 ökonomische, soziale und eben ökologische Ziele dar, die eine nachhaltige Transformation unserer Welt ermöglichen sollen. Im UniNEtZ-Projekt wird derzeit an Vorschlägen gearbeitet, wie diese Ziele in Österreich umgesetzt werden können. Für eine tatsächliche Transformation und einen nachhaltigen Umgang mit den globalen Umwelt-Commons braucht es aber mehr als das. Es braucht entsprechende Entscheidungen und Handlungen auf allen Ebenen, von Verwaltung und Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Wie es gelingen kann
Es liegt in der Verantwortung von Politik und Verwaltung, einen Rahmen zu schaffen, der ein Leben innerhalb dieser Grenzen ermöglicht. Dazu braucht es rechtliche Verbindlichkeit von Strategien zu Nachhaltigkeit, Klimaanpassung und Biodiversität und eine Harmonisierung bisher teilweise widersprüchlicher Gesetzgebungen. Ebenso wichtig ist es, Strukturen zu schaffen, die nachhaltige Konsummuster fördern sowie Bürgerbeteiligungen (z.B. durch Bürgerräte) ermöglichen und diesen Gehör verschaffen. Eine zentrale Rolle fällt Wirtschaftszweigen zu, die zu einem großen Teil für die Ausbeutung der globalen Umwelt-Commons verantwortlich sind. Es ist eine neue wirtschaftsethische Orientierung mit regionaler, aber auch globaler Verantwortung notwendig sowie tiefgreifende Veränderungen zu ressourcenschonenden Produktionsmustern und diversifizierter Landwirtschaft. Erste Schritte wären eine deutliche Reduktion der Produktion tierischer Lebensmittel sowie die Forcierung der Kreislaufwirtschaft. Auch die Forstwirtschaft braucht neue Anreize, die es ihr ermöglichen, den Erhalt der durch den Klimawandel bedrohten Wälder und ihre Biodiversität zu schützen und wiederherzustellen.
Treibende Kraft: Gesellschaft
Eine essenzielle, treibende Kraft muss dabei von der Gesellschaft (Individuen und Gruppen) ausgehen. Zivilgesellschaftliche Bewegungen, allen voran Fridays for Future, leisten einen entscheidenden Beitrag zu politisch-gesellschatftlichem Wandel. Sie erhöhen den Druck auf politische Entscheidungsträger und können glaubhafte, wirkungsmächtige Narrative hervorbringen und weitertragen, die zu kollektivrem Wandel ermutigen. Im Rahmen der individuellen Möglichkeiten gibt es auch bei alltäglichen Entscheidungen einen zu nutzenden Handlungsspielraum. Ein besonders großer Hebelpunkt ist dabei die Ernährung, und dort die Reduktion des Fleischkonsums. Grundlage dafür sind die Wahrnehmung und das Bewusstsein für die Bedeutung und Begrenztheit der globalen Umwelt-Commons für unsere Existenz, aber auch für den Eigenwert der Natur. Dies bedingt auch entsprechende Formate in Bildung, Wissenschaft und Kunst. Vermittlung und Anwendung neuer Lehr- und Lernformate sind dabei ebenso wichtig wie ein breiter, von allen gesellschaftlichen Gruppen getragener Dialog und die Entwicklung neuer Zukunftsperspektiven. Letzten Endes bedeutet dies auch, uns um unser aller Wohlergehen zu sorgen (Artikel 2 dieser Serie. 5. 11.2021), denn die globalen Umwelt-Commons sind unsere elementare Lebensgrundlage.