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Globales Artensterben und der Zustand der Ökosysteme - Der Bericht des Weltbiodversitätrates und Wege aus der Krise

Eine Veranstaltung der Arbeitsgruppe SDG 15 an der Universität für Bodenkultur

Am 6. Mai dieses Jahres wurde der globale Zustandsbericht des Weltbiodiversitätsrates in Paris der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Es handelt sich dabei um nicht weniger als das erste globale Assessment über Biodiversität.

Dieser Globale Assessment-Bericht über Biodiversität und Ökosystemleistungen und der Tag seiner Vorstellung wurden von der Generaldirektorin der UNESCO als historisch bezeichnet. Nichts, sagte sie, wird jemals wieder so sein wie zuvor: niemand kann mehr sagen, wir hätten nicht gewusst, dass wir unser gemeinsames globales Erbe, unser globales Umwelt-Erbe, gefährden.

Um dieses Wissen über den globalen Zustand der Ökosysteme und ihrer Arten, das der Bericht in 6 Kapiteln auf über 1600 Seiten darlegt, ging es in der Veranstaltung an der Universität für Bodenkultur: „Globales Artensterben und der Zustand der Ökosysteme. Der Bericht des Weltbiodiversitätsrates und Wege aus der Krise“ am 20.11.2019. Die Veranstaltung wurde von der Leitung der Arbeitsgruppe SDG 15 des SDG-UniNEtZ organisiert.

In der Zielvorgabe 15.5[1] der Nachhaltigen Entwicklungsziele hat sich Österreich unter anderem dazu verpflichtet, bis 2020 die bedrohten Arten zu schützen und ihr Aussterben zu verhindern. Mit dieser Veranstaltung sollte nun erforscht werden, inwieweit Österreich und die Welt diese Verpflichtung erfüllen wird.

Vor 300 Zuhörer_innen, darunter viele hochrangige Wissenschafter_innen, stellte Prof. Josef Settele, einer der drei Ko-Vorsitzenden für das Globale Assessment, wesentliche Ergebnisse des Berichtes vor.

Er wies darauf hin, dass die Bedrohung der Artenvielfalt durch den Menschen stärker ist als je zuvor: weltweit sind derzeit mehr Pflanzen- und Tierarten denn je (ca. 25%) vom Aussterben bedroht, die globalen Aussterberaten sind um ein bis zwei Zehnerpotenzen höher als jemals zuvor während der letzten 10 Mio. Jahre und liegen damit hoch über den natürlichen Hintergrund-Aussterberaten. Drei Viertel der Landfläche wurden bereits massiv vom Menschen verändert, natürliche Ökosysteme verzeichnen einen globalen Rückgang von 47% in ihrer flächigen Ausdehnung. Bei Feuchtgebieten sind bereits mehr als 85% ganz verloren gegangen. Der Bericht zeichnet ein umfassendes und drastisches Bild einer zentralen gesellschaftlichen Herausforderung und fordert eine globale gesellschaftliche Transformation um dieser erfolgreich begegnen zu können.

Nach der Präsentation dieser Ergebnisse diskutierte ein von hochrangigen Wissenschafter_innen besetztes Podium die Situation der Biodiversität in Österreich und wie Wege aus der Krise gefunden werden können. Die Veranstaltung wurde von Professor Georg Gratzer, dem Koordinator der Arbeitsgruppe SDG 15 – Leben an Land –moderiert.

Professor Thomas Frank, Zoologe und Institutsleiter des Instituts für Zoologie an der Universität für Bodenkultur ortete einen Mangel an österreichweit erhobenen Langzeitdaten für Biodiversität. Aus den verfügbaren Studien lässt sich jedoch für Österreich, so Frank, eine Situation ableiten, die ähnlich dramatisch wie im Nachbarland Deutschland ist, wo jüngst veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten zum Insektensterben für Aufsehen sorgten.

Auf die Frage, welche Fragen angesichts dieser krisenhaften Situation von Wissenschafter_innen und Universitäten nicht oder zu wenig deutlich gestellt werden, und welche Antworten nicht gegeben werden, stellte Alice Vadrot, Assistenzprofessorin am Institut für Politikwissenschaften an der Universität Wien, zuerst die internen Aushandelungsprozesse im Weltbiodiversitätsrat, kurz IPBES, und in den 133 Beitrittsstaaten in den Vordergrund. Die Bevorzugung bestimmter Konzepte von Biodiversität, wie etwa des der Ökosystem-Dienstleistungen, ist Ausdruck von Machtkämpfen innerhalb von Institutionen und zwischen Staaten. Allerdings haben hier grundsätzlich alle Staaten gleiches Stimmrecht und kleine Staaten wie Bolivien konnten ihr Verständnis des Verhältnisses von Mensch und Natur und ihren Zugang der Natur Rechte zuzuweisen in den Prozess einbringen. Der IPBES Bericht zeigt, wie globale Wissensproduktion lokale Veränderung stimulieren kann. Allerdings kommen auch bei Fragen der lokalen Umsetzung Machtfragen stark zu tragen.

Professorin Verena Winiwarter, Umweltgeschichtlerin an der Universität für Bodenkultur, stellte den globalen Bericht des Weltbiodiversitätsrates als umfassenden Schutzgebiets-Managementplan für die bedrohte Spezies Mensch dar. Ziele wie die Agenda 2030 können dann wie Umsetzungsbestimmungen für so einen Bericht gesehen werden.

In der Diskussion wurde einerseits auf die Wichtigkeit von schnellen und konkreten Schritten zur Verbesserung der Situation der Biodiversität hingewiesen und andererseits auf die Notwendigkeit einer großen gesellschaftlichen Transformation. Für die Wissenschaft wurden Defizite in der Finanzierung von taxonomischer Arbeit geortet und auch die Notwendigkeit von relevanter Kommunikation an der Schnittstelle zu Politik und Gesellschaft betont.

Die Biodiversitätskrise wurde in ihrer Tragweite ähnlich wie die Klimakrise bewertet. Josef Settele betonte positive Schritte und Bemühungen der Politik und die Machbarkeit einer Transformation hin zu intakten Ökosystemen.

[1] Umgehende und bedeutende Maßnahmen ergreifen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume zu verringern, dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende zu setzen und bis 2020 die bedrohten Arten zu schützen und ihr Aussterben zu verhindern