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Nachhaltiges Produkt-Service System Design als beispielhafte politische Handlungsoption für SDG 12

In Vorbereitung auf die UniNEtZ Gremiumssitzung an der Universität Salzburg am 25. Oktober 2019 wurde im August unter Mitwirkung der VertreterInnen des SDG 12 eine beispielhafte politische Handlungsoption (sog. „Beispieloption“) entwickelt.

Es handelt sich dabei nicht um eine Einzelmaßnahme, sondern um ein Maßnahmenbündel, das mehrere Optionen umfasst. Als Arbeitstitel für dieses Maßnahmenpaket wurde „Nachhaltiges Produkt-Service System (PSS) Design“ gewählt.

SDG 12 Micro Macro Portfolio

Fig. 1: Micro-macro portfolio. Y-axis: SDG12 issue/target specificity (cross-target/low vs. target-specific/high); X-axis: action option granularity (single option/fine vs. option package/coarse).

Eine wesentliche Frage bei der Entwicklung von politischen Handlungsoptionen ist, was grundlegend unter einer Option zu verstehen ist und auf welcher Ebene („Mikro“ oder „Makro“) eine Option angesiedelt sein kann. Dabei wurde folgendes Portfolio erstellt (siehe Abbildung 1).

So können Optionen danach unterschieden werden, ob es sich um eine Einzeloption oder um ein Maßnahmenbündel handelt, das mehrere Suboptionen umfasst. Darüber hinaus kann eine Unterscheidung dahingehend vorgenommen werden, ob die Option nur ein spezifisches Unterziel anspricht, das gesamte SDG abdeckt oder ob die Option „SDG-übergreifend“ mehrere Nachhaltigkeitsziele umfasst.

Ableitung der Option aus den Targets und grundlegende Ziele der Option

Die grundlegende Idee beim Maßnahmenpaket „Nachhaltiges PSS Design“ ist, den Fokus der Bedürfnisbefriedigung vom alleinigen Erwerb physischer Produkte hin zu einer hybriden Nutzung von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen im Sinne einer wertorientierten Nutzenstiftung zu verschieben. Untersuchungsobjekt dieser Option sind daher Produkte sowie Serviceleistungen und die Kombination dieser.

Dabei sind im Sinne eines Life-Cycle-Ansatzes sowohl die Hersteller, als auch Händler und KonsumentInnen als AkteurInnen gefordert. Während die Hersteller den Fokus auf die Produktion naturkompatibler und/oder langlebiger, reparaturfähiger und einfach recyclebarer Produktsysteme setzen sollten, sind die Händler gefordert, Reparaturdienstleistungen, Wartungsservice und die Rücknahme nicht mehr, oder nur teilweise funktionsfähiger Güter zu übernehmen. Der Konsument/die Konsumentin hingegen ist in der Verantwortung, die „richtige“ Entscheidung zum Erwerb oder der Nutzung nachhaltiger Produkt-Service Systeme zu treffen und ist darüber hinaus dazu angehalten, Maßnahmen zur Verlängerung der Produktlebensdauer und einer öko-effektiven Produktnutzung zu treffen. Für das Treffen solcher Entscheidungen wiederum ist eine transparente Informationslage sowie z.B. das Angebot von Dienstleistungen, welche die Produktlebensdauer verlängern (Beispiel: Reparatur von Einzelkomponenten) notwendig. Eine effektives wie effizientes „Nachhaltiges Produkt-Service System Design“ macht eine enge Abstimmung und Kooperation einzelner AkteurInnen am Markt erforderlich (z.B. neue, nachhaltige Geschäftsmodelle).

Die nachfolgende Tabelle visualisiert die Unterziele von SDG 12 und wie sich das Maßnahmenpaket „Nachhaltiges PSS Design“ aus den einzelnen Zielen ableiten bzw. mit diesen verknüpfen lässt.

Beispieloption: Nachhaltiges Produkt-Service System Design

Tabelle fehlt!

Konkrete Beschreibung des Maßnahmenpakets

Dieses Maßnahmenpaket inkludiert viele andere (Sub-)Handlungsoptionen und geht beispielsweise über das Eco-Design, welches primär auf die Reduktion des Energieverbrauchs abstellt, hinaus. Nachfolgend sind beispielhafte Suboptionen beschrieben, die Teil des Gesamtpaketes „Nachhaltiges PSS Design“ sein können. Die hier dargestellten Suboptionen werden vorerst auf generischer Ebene beschrieben. Zusätzlich werden die Suboptionen – zur besseren Nachvollziehbarkeit – anhand eines konkreten Beispiel-Produkts (Smartphone) erläutert.[1]

  • Ansteigender Mindestanteil von Sekundärrohstoffen: Vorgabe eines bestimmten (jährlich ansteigenden) Anteils an Sekundärrohstoffen bei der Produktherstellung im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses für bestimmte Produktgruppen und Ressourcenarten (z.B. Haushaltsgeräte, Telekommunikationsgeräte). Hierbei ist auch zwischen langlebigen und kurzlebigen Gütern, sowie der Komplexität und Anzahl und Art der verwendeten Ressourcen zu unterscheiden. So wird man bei komplexen technologischen Geräten mit einem niedrigeren Mindestanteil an Sekundärrohstoffen beginnen (z.B. 10%), bei kurzlebigen Kunststoffverpackungen kann sogleich ein höherer Mindestanteil vorgeschrieben werden (z.B. 70%). Vorstellbar ist bspw. die Vorgabe, dass bei der Herstellung von Smartphones die eingesetzten Kunststoffe zu Beginn zu 10% aus rezykliertem Material bestehen und dieser Prozentsatz pro Jahr um 5% zu steigern ist.
  • Nachvollziehbare Herkunft der Rohstoffe: Verpflichtende Bereitstellung von Informationen zur Herkunft der Hauptrohstoffe und Hauptkomponenten über die Supply Chain hinweg sowie über die Art und Weise bzw. Rahmenbedingungen der Gewinnung der Rohstoffe (z.B. Angabe des Herkunftslandes via EAN-Code auf der Website des Herstellers). Der Fokus ist hierbei neben ökologischen Aspekten (z.B. Rodung der Regenwälder für die Gewinnung von Ackerland; ökologischer Anbau) insbes. auf soziale Nachhaltigkeit (z.B. Garantie des Verzichts auf Kinderarbeit) zu setzen. Das Beispiel Smartphone, das ein sehr komplexes Produkt aus vielen unterschiedlichen Materialien ist, zeigt, dass eine durchgängige nachvollziehbare Herkunftsanalyse von allen Rohstoffen vorerst wahrscheinlich schwierig zu realisieren ist. Zu Beginn ist daher eine Schwerpunktsetzung auf die Hauptrohstoffe und insbesondere auf die kritischen Rohstoffe (critical raw materials) zu empfehlen.
  • Förderung von Reparaturdienstleistungen: Gefördert werden Teile der Reparaturkosten durch z.B. Reduktion oder gänzliche Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen und/oder steuerliche Absetzbarkeit der Reparaturkosten oder durch einen sog. „Reparaturbonus“ (siehe https://www.land-oberoesterreich.gv.at/204744.htm). Konsumenten könnten etwa die Reparaturkosten ihres kaputten Smartphones einreichen und eine teilweise Rückerstattung fordern.
  • Langfristige Verfügbarkeit von Ersatzteilen: Hersteller werden verpflichtet, Ersatzteile und Komponenten entsprechend der doppelten durchschnittlichen Lebensdauer des Produktes anzubieten und zu vertreiben (z.B. die durchschnittliche Lebensdauer eines Apple Smartphones beträgt ca. 4 Jahre und 3 Monate hier müsste der Hersteller die Ersatzteile also 8,5 Jahre anbieten; laut statista.com beträgt im Jahr 2018 die Lebensdauer von Smartphones durchschnittlich 2,47 Jahre branchenweit wäre daher ein Angebot der Ersatzteile von mind. 5 Jahren vorzuschreiben).
  • Ausweitung der Gewährleistung von 2 Jahren auf 3 Jahre: Die gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistungsfrist von 2 Jahren auf bewegliche Sachen (z.B. Smartphones, Fernseher, Waschmaschinen) ist – insbesondere für langlebige Güter – zu verlängern. Es könnte hier diskutiert werden, ob eine Unterscheidung bzw. Abstufung nach der durchschnittlichen Lebensdauer von Gütern vorgenommen werden soll. So ist die durchschnittliche Lebensdauer einer Waschmaschine deutlich länger als die eines Smartphones, weswegen für erstere eine noch längere Gewährleistungsfrist diskutiert werden könnte.

Die geplante Zeitdimension des Maßnahmenpakets beinhaltet einen sowohl kurz-, mittel- als auch langfristigen Wirkungsrahmen. So kann etwa ein Reparaturbonus sehr rasch und unbürokratisch umgesetzt werden und damit die Produktlebensdauer in kürzeren Zeiträumen verlängern. Die langfristige Verfügbarkeit von Ersatzteilen wird sich – je nach Produktart – erst längerfristig (z.B. nach fünf bis zehn Jahren) positiv auf die Ressourcenschonung und Abfallvermeidung auswirken

Grundsätzlich sollten in dem beschriebenen Maßnahmenpaket sowohl kurz-, mittel- als auch langfristige Maßnahmen kombiniert werden.

[1] Anmerkung: Beim hier gewählten Beispiel-Produkt handelt es sich um ein komplexes Gebrauchsgut, das sich gut als Beispiel für das gesamte Optionenpaket eignet. Dabei ist als Einschränkung zu berücksichtigen, dass mit der Wahl des Smartphones als Beispiel-Produkt das SDG 12.3 nur unzureichend berücksichtigt wird. Für die weitere Vorgehensweise sind daher auch Optionen, die spezifisch auf das SDG 12.3 (Lebensmittelabfälle, Lebensmittelverschwendung) abzielen, zu inkludieren.

Erwartete Wirkungsweise

1. Wie trägt die Option zur Zielerreichung bei?

Da es sich bei dem Maßnahmenpaket „Nachhaltiges PSS Design“ um ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen handelt, wird das gesamte SDG 12 mit allen Unterzielen sehr gut abgedeckt. Der Fokus liegt dabei tendenziell auf Gebrauchsartikel und weniger auf Verbrauchsartikel, wobei das Maßnahmenpaket teilweise auch auf letztere angewandt werden kann (z.B. Lebensmittel, Wasch- und Reinigungsmittel).

2. Spezielle Vorteile und Synergien mit anderen SDGs

Die Stärke des Maßnahmenpakets liegt in der Berücksichtigung des gesamten Produktlebenszyklus von der Rohstoffentnahme bis zur Entsorgung bzw. dem Recycling, wobei dem Produktdesign, bei dem bereits ein Großteil der später resultierenden Umwelt- und Kostenwirkungen festgelegt wird, eine besondere Bedeutung zukommt. Es handelt sich daher um einen systemischen Ansatz mit einer entsprechenden Breitenwirkung. Dies zeigt sich auch darin, dass Bezüge zu anderen SDGs hergestellt werden können, wie etwa zu:

  • SDG 1: „Keine Armut“: Konsumption kann langfristig ein Faktor für Armut sein
  • SDG 3„Gesundheit und Wohlergehen": Vermeidung humantoxischer oder bedenklicher Inhaltsstoffe in Produkten
  • SDG 4 „Hochwertige Bildung“: Transparenz durch Umweltzeichen und damit Förderung des Umweltbewusstseins
  • SDG 7: Recycling-Prozesse benötigen teilweise einen hohen Energieeinsatz; mit dem vorgestellten Maßnahmenpaket wird die Bedeutung „vorgelagerter“ CE Strategien (wie z.B. Produktlebensverlängerung) betont
  • SDG 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“: Förderung der regionalen Wertschöpfung durch verstärkte Reparaturdienstleistungen vor Ort
  • SDG 9: Recycling-Strategien benötigen adäquate Infrastruktur (z.B. Sammelstellen), aber auch innovative Technologien zur Trennung und Wiederaufbereitung von Materialien
  • SDG 11: Im Bereich nachhaltiges Bauen gibt es Wechselwirkungen im Hinblick auf den Einsatz der Rohstoffe (Senkung des Rohstoffbedarfs, Einsatz von Sekundärmaterialien) sowie im Hinblick auf das Baustoffrecycling und das Abfallmanagement
  • SDG 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“: Reduktion des Primärressourcenbedarfs und damit verringerter Product Carbon Footprint, insb. durch Reduktion der Transportwege

3. Mögliche Negative Auswirkungen

Potentielle Herausforderungen oder Barrieren bei der Umsetzung des Maßnahmenpakets „Nachhaltiges PSS Design“ könnten vor allem bei den Herstellern und den Handelsunternehmen auftreten. Nachhaltige Produktions- und Konsummuster erfordern ein Umdenken der Betriebe von der ausschließlichen Herstellung und dem Vertrieb von Produkten (ohne weiterer Produktverantwortung) hin zur Dienstleistung (z.B. Reparaturdienstleistungen). Unternehmen sind gefragt, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die kreislaufwirtschaftliche Aspekte mitberücksichtigen (z.B. Sharing-Modelle). Barrieren seitens der Unternehmensvertretungen, wie Wirtschaftskammer, Industriellenvereine etc. sind bei spezifischen Handlungsoptionen zu erwarten.

Darüber hinaus kann es bei spezifischen Produkten vorkommen, dass eine Lebensdauerverlängerung sich in ökologischer Hinsicht negativ auswirkt, insbesondere, wenn es sich um Produkte mit einer energieintensiven Nutzungsphase handelt. Bei solchen Produkten kann ein Austausch gegen neuere, energieeffizientere Produkte sinnvoll sein. Solche Fälle könnten beispielsweise mittels Ökobilanzen untersucht werden, um quantifizierbare Aussagen zu machen.