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Unser Essen beeinflusst Umwelt und Landwirtschaft

Artikel "Unser Essen beeinflusst Umwelt und Landwirtschaft" aus der UniNEtZ-Artikelserie in "Die Presse" vom 3. 12. 2021

Nachhaltigkeit muss nicht immer Verzicht heißen. Ein gesunder, aber ökologisch behutsamer Ernährungsstil ist möglich.

Ist Ernährung wichtig für unsere individuelle Gesundheit?

Ja, aber unsere Ernährung hat auch maßgeblichen Einfluss auf unseren ökologischen und sozialen Fußabdruck. Im Moment verursacht unser Ernährungsstil viele ökologische und sozio-ökonomische Probleme in der Landwirtschaft und im gesamten Lebensmittelsektor. Zudem ernähren wir uns viel zu ungesund und verschwenderisch: Gegenwärtig essen wir rund 63 kg Fleisch pro Person und Jahr. Wir nehmen auch zu viel Kalorien zu uns und fast ein Drittel der Lebensmittel landen im Abfall. Die Lebensmittelproduktion für unser Essen hat eine oft umfangreiche Wertschöpfungskette, die in der Regel von der Landwirtschaft und seinen Vorketten (Produktion der Dünge- und Futtermittel sowie der Pestizide) bis hin zum Lebensmittelhandel und zur Außer-Haus-Verpflegung reicht. Unser Essen bzw. unser Ernährungsstil beeinflusst ganz direkt die Landwirtschaft, und dies einerseits in Österreich, andererseits international (dies reicht u. a. bis Brasilien, Argentinien, USA und Indonesien im Kontext mit den Importen von Soja für die Futtermittel und von Palmöl für die Lebensmittelverarbeitung). Ökologische und sozioökonomische Probleme, die wir mit unserem Essen verursachen sind daher nicht nur auf Österreich beschränkt, sondern reichen bis zu Zerstörungen von Tropenwäldern und Savannen. In der Lebensmittelwertschöpfungskette hat der Lebensmittelhandel meist die größte Marktmacht und Marktkonzentration, was weitere Risken und sozio-ökonomische Probleme verursacht. Wir als Konsumentinnen können durch unsere Kaufentscheidungen ganz wesentlich die weitere Entwicklung der Lebensmittelbranche steuern. Unser gegenwärtiger Ernährungsstil ist verschwenderisch und ungesund. Der viel zu hohe Fleischkonsum führt nicht nur zu gravierenden Gesundheitsproblemen wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern verursacht auch sehr hohe CO2-Emissionen und ist bei uns derzeit der wesentliche Treiber der Biodiversitätskrise und der Gewässerverschmutzung. Hoher Lebensmittelabfall Zudem führt der hohe Lebensmittelabfall sowie der in der konventionellen Landwirtschaft praktizierte hohe Einsatz an Mineraldüngern und Soja-Importfuttermitteln zu weiteren hohen CO2-Emissionen. In Verbindung mit dem Pestizideinsatz entstanden in den vergangenen Jahrzehnten auch bedrohliche Biodiversitätsverluste sowie ein Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, Bodenerosion, Schadstoffbelastungen des Grundwassers und Überdüngung der Gewässer. Das Soja-Futter unserer Schweine- und Hühnermast ist aber nicht nur ein Treiber der Regenwaldabholzung. Menschenverachtende Methoden und der Landraub durch internationale Agrarkonzerne zerstören auch die Lebensgrundlage von indigenen Völkern und Kleinbauern-Familien im globalen Süden – auch das ist mit der Wahl unserer Lebensmittel direkt verbunden. Zudem existieren Probleme im Bereich des Tierwohls und des Tierschutzes und das sowohl in der landwirtschaftlichen Tierhaltung als auch im Bereich der Schlachtungen, weil weiterhin vielfach nach möglichst billigen Lebensmitteln verlangt wird. Die Absenkung der Preise und die nationale und internationale Marktstruktur führen aber auch zu einer Vielzahl sozio-ökonomischer Probleme in der Landwirtschaft und nachgelagerten Bereichen. Dies betrifft u. a. den starken Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe bzw. die Überschuldung der verbleibenden Betriebe (die mit dem Ausbau ihrer Kapazitäten ums Überleben kämpfen). Eine geringe Krisenrobustheit durch zu stark global ausgerichtete Lieferketten und Zentralisierungen ist eine weitere Folge dieser jahrzehntelangen Entwicklung.

Fleischkonsum senken

Deutliche Reduktion des Fleischkonsums: Wenn wir unseren täglichen Fleischkonsum wie beschrieben auf ein Drittel senken, dann können nicht nur der damit verbundene Verbrauch von Wasser und Boden in der landwirtschaftlichen Produktion deutlich reduziert werden. Es würden damit auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen fast halbiert sowie Übergewicht, Fettleibigkeit und Diabetes stark vermindert werden. Diese deutliche Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung würde wiederum volkswirtschaftlich umfangreiche Einsparungen im Gesundheitsbereich bewirken. Der Ernährungsstil ist in Österreich auch geschlechtsspezifisch ausgeprägt. Männer konsumieren im Schnitt doppelt so viel Fleisch wie Frauen. Durch gendersensible Pädagogik könnte schon ab dem Kindergartenalter eine Basis geschaffen werden, wie man diese Verhaltensweisen und somit auch starre Ernährungsmuster aufbrechen kann.

Verstärkter Konsum von saisonalen und regionalen Bioprodukten: Der Biolandbau mit seinen strengen Richtlinien hat nicht nur deutlich geringere Treibhausgasemissionen pro Fläche und vielfach auch pro kg Produkt, sondern fördert die Bodenfruchtbarkeit sowie den Schutz von Biodiversität und Gewässern. Es stellt sich auch die Frage, welche Art von Landwirtschaft unsere ländlichen Regionen prägen soll. Der Wert der ökologischen Bewirtschaftung unseres Lebensraumes sollte aus gesellschaftspolitischer Sicht stärker in den Fokus der Diskussion rücken.

Verringerung des Lebensmittelabfalls: Die deutliche Reduktion der vermeidbaren Lebensmittelabfälle ist eine sehr wirksame Nachhaltigkeitsmaßnahme, mit der auch der Druck auf die Landwirtschaft gesenkt werden kann. Es muss dabei in allen Bereichen der Wertschöpfungsketten angesetzt werden, insbesondere bei den Haushalten (wo über 500.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle anfallen) sowie in der Gastronomie bzw. der Außer-Haus-Verpflegung. Fördern und Fordern – nicht nur die persönliche Kaufentscheidung vieler Einzelner ist von hoher Bedeutung. Politik und Verwaltung können und müssen in hohem Maße zu nachhaltiger Ernährung beitragen. Sei es durch Wissensvermittlung und Bewusstseinsbildung, durch Förderung nachhaltiger Produktionsmuster wie der biologischen Landwirtschaft oder Kontrolle und Kennzeichnungspflichten für Lebensmittel. Jedenfalls kontraproduktiv sind Werbekampagnen für konventionell produzierte tierische Produkte – „Fleisch bringt’s“ ist weder aus sozialer, gesundheitspolitischer, ökologisch und tierwohlorientierter noch aus wirtschaftlicher Sicht nachhaltig. Eine gesunde, klimafreundliche und auch nachhaltige Ernährung ist ein Gebot der Stunde. Die Wege dorthin sind weitestgehend bekannt und machbar. Sie endlich verstärkt zu gehen, braucht den Mut und die Entschlossenheit zur Nachhaltigkeit.